PILZEXKURSION
14.September 2024
REISANBAU
24.August 2024
Am Samstagmorgen, 24. August 2024, folgten gut 40 Reis-Enthusiasten der Einladung des Natur- und Vogelschutzvereins Bellikon zur Führung auf dem Bio-Bauernhof «Wildenau» von Lukas und Natalie Neuhaus an der Reuss in Stetten.
Manchen Teilnehmenden ist sicher bei früheren Wanderungen auf dem romantischen Reussuferweg zwischen Sulz und Stetten schon aufgefallen, dass da, in einer Lichtung zwischen Wasser und Wald in den letzten Jahren ein hierzulande ungewohntes Getreide angebaut wurde. Aber was tut sich hier alles auf dieser Lichtung?
Bereits 2020, im ersten Jahr nach der Hofübernahme durch die Familie Neuhaus, wurde auf diesem Areal mit dem Anbau von Trockenreis experimentiert. Eine erste Ernte und seither stets steigende Erträge, gab es ab 2021. Mit der Erfahrung im herausfordernden, biologischen Reisanbau auf der Alpennordseite steigt auch die Aussicht auf gute Erträge. Nebst dem Trockenanbau wird auch der Nassanbau gepflegt. Dazu muss das Feld zuerst topfeben gemacht werden, was mit einer Spezialmaschine erfolgt. Dann muss die Parzelle mit kleinen Dämmen abgedichtet werden, damit das Wasser nicht seitlich abfliesst. Um das Versickern des Wassers in den sandigen Boden der Aue zu verhindern, werden Feinstpartikel vom Boden aufgeschlämmt, die dann beim Absinken die Bodenporen so weit verstopfen, dass auch ein sandiger Boden genügend dicht wird, um das Wasser zu halten. Im Frühjahr wird das Feld geflutet. Die Reiskörner werden im Treibhaus zum Keimen gebracht und wenn die Pflänzchen etwa 10 cm lang sind, mit einer Setzmaschine ins Wasser gepflanzt. Diese Setzmaschine gleicht einem Einachs-Traktor, dessen Motor auf einem Plastikkanister montiert ist, so dass die Maschine schwimmt und die Räder ähnlich wie bei einem Raddampfer seitlich ins Wasser greifen, um die Maschine vorwärts zu bewegen. Während die Pflanzen wachsen, wird der Wasserstand im Feld ständig nachreguliert.
Was hier so einfach und plausibel tönt, ist in Tat und Wahrheit viel komplexer: Das Naturschützerherz höher schlagen lässt die Tatsache, dass die neuen Wasserflächen auch neue, selten gewordene Lebensräume für Frösche, Libellen, Echsen, den Kiebiz usw. erschliessen. Auch die Graugänse vom Flachsee haben die Reisfelder besucht. Allerdings zeigten sich anschliessend viele Lücken zwischen den Pflanzen des entsprechenden Feldes. Offenbar hatten sich die Graugänse an den jungen Reispflanzen gütlich getan. Abhilfe hat man mit Beschallung gefunden, erst mit Wolfsgeheul aus dem Lautsprecher, das aber selbst den Betriebsleiter in Angst versetzt habe, dann mit der Stimme eines Seeadlers. Seither seien keine Gänse mehr aufgetaucht.
Das grösste Problem stellt aber die Hirse dar, der das Biotop für den Reis noch fast besser gefällt als dem Reis selber. Der (biologische) Kampf gegen die Hirse als Konkurrent des Reises wird von Lukas Neuhaus ebenfalls sehr innovativ, hartnäckig, aber auch erfolgreich geführt.
Der Reisanbau, wie er früher betrieben worden war, war äusserst arbeitsintensiv, die Arbeit dazu auch sehr streng. Nicht umsonst wurde im Piemont der Film «Riso amaro» (bitterer Reis) gedreht, der die harte Arbeit auf den Reisfeldern zum Inhalt hatte. Solchen Aufwand kann man sich heute nicht mehr leisten. Also suchten die Reisbauern in Stetten nach Maschinen und fanden diese in Asien, wo es offenbar auch noch Reisbauern gibt, die im kleinen Stil anbauen und deshalb auch noch ein Markt für «handliche» Maschinen existiert. So steht in Stetten auch ein Mähdrescher zur Verfügung. Nach der Ernte müssen die Reiskörner weiter bearbeitet werden, d.h. sie werden abgeschliffen, damit der Spelz wegfällt. Auch dazu hat man in Stetten eine Maschine aus Asien gefunden. Die kam schön verpackt in Einzelteilen und - ohne Anleitung zum Zusammenbau - in Stetten an, eine weitere Herausforderung, die aber ebenfalls gemeistert wurde. Übrigens dienen diese Maschinen in der Regel nicht nur der Produktion in Stetten, sondern allen 6 in der «IG Aargauerreis» zusammengeschlossenen Reisbauern des Kantons.
Wer aber gedacht hätte, mit dem Reisanbau, wäre das innovative Repertoir der Reisbauern von Stetten erschöpft, hätte sich geirrt.
In einem Gewächshaus stehen wärmeliebende Pflanzen, u.a. Paprika, Auberginen und Tomaten. Als Hobby-Tomatengärtner hat man nicht schlecht gestaunt darüber, dass die Tomatenranken in Stetten, an Schnüren verstellbar aufgehängt, bis 12 m lang werden, so dass die reifen Tomaten nach Möglichkeit immer auf bequemer Ablesehöhe geerntet werden können.
In einem anderen Treibhaus wird mit Ingwerpflanzen experimentiert. Diese werden frisch verkauft. Haltbar würden Ingwerwurzeln erst, hat man uns gelehrt, wenn sie in ein Bad gegen Pilzbefall getaucht würden.
Ein anderes landwirtschaftliches Angebot ist der mehrjährige Spargel, welcher in grösseren Feldern angebaut wird und mehrere Jahre geerntet werden kann.
Damit ist die Vielseitigkeit des Betriebs aber noch nicht zu Ende beschrieben. Ein weiteres Standbein ist die so genannte Arbeitsagogik. Darunter versteht man das Leiten und Begleiten von Menschen, die vorübergehend oder dauernd nicht in der Lage sind, im wirtschaftlichen Umfeld tätig zu sein. Das Ziel dieser Unterstützung ist, die Betroffenen bei ihrer (Wieder-) Eingliederung in Gesellschaft und Arbeitswelt zu fördern. Dazu ist die Wildenau mit ihren Pflanzgärten und Tieren der geeignete Ort, der Ruhe, Naturverbundenheit und Bodenhaftung ausstrahlt nach dem Motto, wie es auf der Website formuliert ist: «Für uns steht die nachhaltige Landwirtschaft im Einklang mit Natur und Tier im Zentrum. Unser Ziel ist es, das einmalige Naherholungsgebiet in der Wildenau zu bewahren und auf diesem Boden qualitativ hochwertige und nährstoffreiche Lebensmittel zu produzieren.»
Es war eine spannende, lehrreiche und wohltuende Exkursion. Wir danken dem NVB für die Organisation und den Reisbauern der Wildenau für die informative Führung und ihren Einsatz für diese naturfreundliche Arbeit ganz herzlich.
PS: Man kann natürlich die beschriebenen Produkte auch kaufen. Interessierte besuchen dazu am besten die Website (www.wildenau.ch).
Walter Hauenstein für den Natur- und Vogelschutzverein Bellikon